Der Schlachthof in der Kreisstadt Euskirchen war lange Zeit ein Ort, in dem der Tod zu Hause war. Erst 2017 wurde der Betrieb endgültig eingestellt, und die EUGEBAU erwarb das Grundstück mitsamt der darauf stehenden Gebäude.

Der Künstler Rolf A. Kluenter aus Bürvenich in der Eifel, der seit vielen Jahren in Shanghai lebt und arbeitet, hat sich seit November 2017 sehr intensiv mit diesem düsteren Ort der Euskirchener Stadtgeschichte beschäftigt. Akribisch fotografierte und filmte er jeden Winkel des Schlachthofs, in dessen Innenräumen noch alle Instrumente unversehrt erhalten sind. Während der 20 Tage, die er auf dem stillgelegten Terrain verbrachte, sei er wie ein Forensiker vorgegangen, berichtet der Künstler. Ohne auch nur ein winziges Detail oder Stäubchen zu entfernen, lässt er die Details ihre eigene Geschichte erzählen. Momentaufnahmen einer perfekten Tötungsmaschinerie, die meisten von ihnen in schwarz-weiß, im Stil des Film Noir.

Das Ergebnis dieser Arbeit ist ein 168 Seiten starker Katalog mit dem Titel Schlacht.Meister. An der „narrativen Schnittstelle zwischen Fiktion und Realität“ versteht der Künstler seine Arbeit als eine „Hommage an die Menschen, die hier seit 1903 gearbeitet haben und tagtäglich Lebewesen töten mussten. „Den Begriff Schlachtmeister gibt es eigentlich nicht“, erklärt Rolf A. Kluenter. „Er ist eine Neukomposition aus den Wörtern Schlachthof und Metzgermeister“.

Die Vollendung dieser langwierigen und fordernden Arbeit verband Kluenter mit einer Marathon-Kunstaktion mit dem Titel „Animal Liberaton“, die er gemeinsam mit seinem Freund Kunzang Rangdol ausführte, der eigens für dieses Projekt aus Indien angereist war. Am Tag der Katalogpräsentation malte der ladakhische Künstler, der in seinem Land bereits einige der größten buddhistischen Tempel ausgemalt hat, 168 Tiere auf eine geflieste Wand des stillgelegten Schlachthofs: In der Mitte, vor dem Hintergrund eines Ofens, gequälte, angstvolle Tierköpfe mit schmerzvoll geweiteten Augen und Mäulern. Rechts davon traditionell buddhistische Tiere und Figuren, die den bedrohten Kreaturen zu Hilfe eilen. Auf der linken Seite schließlich die glücklichen, geretteten Tiere in einem paradiesischen Zustand. Bis zum späten Abend wurden alle in symbolträchtigen Farben koloriert. Metaphorisch weisen diese verfolgten Kreaturen weit über die Tierwelt hinaus, erklärt Kluenter, sie erzählen die Geschichte der Menschheit, ihr Leid, ihre Angst, ihre Verfolgung, ihre Rettung und Erlösung. Am 9. September, dem Tag des offenen Denkmals, wird dieses Kunstwerk erstmals der Öffentlichkeit zugänglich sein.

Zu der weiteren Nutzung des stillgelegten Schlachthofs befragt, sagte EUGEBAU-Geschäftsführer Oliver Knuth: „Für eine neue Nutzung ist vorab eine Art Transformationsprozess notwendig“. Man sei froh, für diese „Lossprechung“ in Form von Rolf A. Kluenters Kunstprojekt das geeignete Mittel gefunden zu haben.

Von Antonie Schweitzer

 

Die Künstler

Kunzang Rangdol wurde am 6. April 1978 in Leh, Ladakh, Indien geboren und wuchs in einer Künstlerfamilie auf. Schon sein Großvater und Vater Nawang Dorjey wurden in den buddhistischen Kommunen der Himalaya Region als traditionelle Künstler sehr respektiert.
Von 1985 bis 1997 studierte der junge, talentierte Kunzang Rangdol unter der persönlichen Anweisung des buddhistischen Meditationsmeisters H.E. Shoktshe Rinpoche (Abt des Klosters Tashi Choling) in der privaten Kunstschule für buddhistisch traditionelle Kunst in Sikkim, India.
Von 1997 bis 2004 arbeitete Kunzang Rangdol  als künstlerischer Assistent unter mehreren Meistern der tibetisch traditionellen Kunst in verschiedenen Projekten in Nepal und Indien.
Seit  2005 ist Kunzang Rangdol  als  unabhängiger und freischaffend-traditioneller Künstler tätig.

Seine künstlerische Auftragsarbeit in buddhistischen Klöstern in Indien und Nepal umfasst:

  • 2018 – Wallpaintings of traditional Motifs Kunsang Namdroling Monastery, Darjeeling, India
  • 2012 – Supervising Art Director, Traditional Painting, Ngagyur Kathog Zhi Chen Bairoling Monastery, Kathmandu, Nepal
  • 2010 – Wallpaintings of traditional Motifs and Cement Carvings Druk Gawa Khilwa Abby Amitabha Mountain Monastery, Kathmandu, Nepal
  • 2009 – Wallpaintings of traditional Motifs and Cement Carvings Druk Gawa Khilwa Abby Monastery, Leh Ladakh India
  • 2008 – Wallpaintings of traditional Motifs and Cement Carvings Dinchhen Tashi Chhoeling Monastery, Kathmandu, Nepal
  • 2005 – Wallpaintings of traditional Motifs Rigon Tashi Choling Monastery, Kathmandu, Nepal

Rolf A. Kluenter (1956) ist ein deutscher Künstler und Filmemacher, der in Shanghai lebt. Zurzeit lehrt er an der Shanghai Theatre Academy, School of Creative Studies und der School of Art – Tai Hu University of Wuxi. Ateliers in Shanghai, Kathmandu und der Vor-Eifel.

Nach seinem Studium an der Kunstakademie Düsseldorf erhielt Kluenter 1980 ein Stipendium und ging nach Nepal. Nach seinen intensiven, einjährigen Feldstudien vor Ort, lehrte er viele Jahre am Campus of Fine Arts der Tribhuvan University in Kathmandu.

1998 führte ihn die chinesische Einladung zu seiner ersten großen, musealen Einzelaustellung im Liu Hai Su Museum nach Shanghai, wo er bis heute arbeitet und lebt.

Kluenters künstlerische Praxis umfasst Malereien auf nepalesischem Büttenpapier und Objekte, die aus diesem Papier gemacht werden, sowie Leinwandmalerei und Fotografie. Er erweiterte seine Arbeit mit einer Reihe von Installationen, die er mit Objekten, Performance und Film kombiniert. Kluenters Filme integrieren verschiedene künstlerische Disziplinen. Sie kommentieren die Medien Film, Performance, Fotografie, Musik, Theater, Malerei und Skulptur. Er verflechtet sie zu einer poetisch-visuellen Sprache in audio-visuellen „Bewegten Bildern“.

Seine Werke und Filme werden in internationalen Galerien und Museum gezeigt. Kluenters Installationen und Filme wurden auf der 6. Holland Papier Biennale (2006), der 6. Shanghai Biennale (2006), der 54. Venedig Biennale (2011), und der 9. Shanghai Biennale (2012) gezeigt.
Sein 2012 produzierter 9-Kanal-Film SHANGHAI SOULMATES wurde 2013 auf dem internationalen Summer Festival der City University of Hong Kong im RUN RUN SHAW CREATIVE MEDIA CENTRE uraufgeführt und galt als Beitrag zur ersten ART Basel Hong Kong.
Das Römerthermen Museum der Badekultur Zülpich widmete ihm vom 24. Oktober 2014 bis 22. Februar 2015 eine Einzelausstellung mit dem Titel “Blue Moon Over Wet Monsoon” mit einem Fokus auf Werke, die in Bezug zu seinem langjährigen Aufenthalt in Kathmandu von 1980 bis 1998 stehen.
Die ARK e.V. Arbeitsgruppe Rheinlad-Pfälzischer Künstler in Zusammenarbeit mit der Stadt Koblenz und der Stadt Shanghai zeigte vom 2. bis 24. Juli 2016 im Koblenzer Künstlerhaus Metternich die Einzelausstellung: Rolf A. Kluenter Shanghai AUGENBLICK. 2017 wurden Kluenters Werke in den Gruppenausstellungen “Artists Living in Shanghai – Wuu Speech” und “Extension at Sea” im China National Museum, Shanghai und in der Einzelausstellung “Kathmandu Augenblick” im Taragaon Museum, Kathmandu gezeigt.
Im Oktober 2017 wurde das Film-Projekt „PULS – Stadt, da pocht ein Herz!“ mit behinderten und prominenten Darstellern im Stadtmuseum Euskirchen präsentiert.